Dichtungsmaterial für viele Branchen

Kunststoff wurde als Dichtungswerkstoff für R.A.C.E.-Projekt entwickelt.

Wer war zuerst da - die Henne oder das Ei? "Ein wenig kann man diesen Sinnspruch schon auf unsere aktuellste Anwendung münzen", meint Ralf Burghoff, technischer Assistent der Geschäftsführung von Murtfeldt Kunststoffe. Er spricht von dem thermoplastischen Hochleistungskunststoff Murlock®, Bestandteil des vielfältigen Kunststoffprogrammes von Murtfeldt Kunststoffe. Dieser Kunststoff wurde 2015 als Dichtungswerkstoff für das R.A.C.E.-Projekt (siehe Infokasten) entwickelt und dort als Pionier im HP-RTM-Verfahren (high-pressure resin transfer moulding)  eingesetzt. Murlock® steht somit vielen Branchen zur Verfügung  wie für die Automobil- und Motorrad-Industrie, der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Sportgeräte-Industrie u.v.m.

"Vorgänger" dieses innovativen Werkstoffs ist der Kunststoff Murseal®, der exklusiv in Spritzgussverfahren als Dichtungswerkstoff eingesetzt wird. Murseal® gilt als das Kunststoffdichtelement, welches einsetzbar ist in Spritzgusswerkzeugen zum Toleranzausgleich metallischer Einlegeteile. Hierdurch können Metallteile grat- und beschädigungsfrei mit Kunststoff umspritzt werden.

Beachtliche Anforderungen an das Material: Sehr hohe Drücke und maximale Temperaturbelastungen

Tatsächlich ist Murseal® eher spiritus rectus denn Vorgänger: Murseal® ist ideal im Einsatz bei Spritzgussverfahren und hält dort hohen Temperaturen stand. Doch bei den sehr hohen Drücken, die zum Beispiel im HP-RTM-Verfahren herrschen, hätte der Werkstoff in der bisherigen Form keinen Bestand. Denn die Anforderungen, denen es sich beim Einsatz im HP-RTM-Verfahren stellen muss, sind hoch:  Die im Fertigungsprozess herrschende maximale Temperaturbelastung beträgt teilweise über 200°C. Dazu kommt ein großer Werkzeug-Innendruck von manchmal über 100 bar. Zudem hat der Dichtungswerkstoff Kontakt zu stark reaktivem, exotherm aushärtendem Harzen und muss unempfindlich sein gegenüber gelegentlichen (Carbon-) Fasern auf der Dichtfläche.

Murtfeldt Kunststoff ideal zur Abdichtung von HP-RTM Werkzeugen und bei Harzinjektionsverfahren

Die Lösung besteht also in einem Werkstoff, der für hohe Drücke und hohe Temperaturen geeignet ist und dabei äußerst formstabil bleibt. Gleichzeitig muss er eine hervorragende chemische Beständigkeit aufweisen und bei den genannten Einsatztemperaturen eine hinreichende Elastizität zeigen.

Hier kommt das eingangs erwähnte neue Produkt Murlock® zum Einsatz. Dank seiner Temperaturbeständigkeit  über 200° Grad und einer Druckbeständigkeit bis 100 bar und mehr eignet es sich sowohl zur Abdichtung von HP-RTM Werkzeugen wie auch beim Einsatz in Harzinjektionsverfahren (RTM). Darüber hinaus kann es natürlich ebenso als Dichtung in Spritzguss-Verfahren bei besonders dünnflüssigen Materialien verwendet werden.

Murlock bietet zudem chemische Resistenz

Murlock® ist zudem chemisch resistent gegenüber fast allen organischen und anorganischen Substanzen und zeichnet sich durch eine hohe Festigkeit aus bei gleichzeitiger hinreichender und notwendiger Elastizität im Bereich der Einsatztemperatur. Dadurch bleibt das Werkzeug dicht, selbst wenn eine Verunreinigung der Dichtfläche durch einzelne Glas- oder anderer Fasern während des Injektionsvorgangs erfolgt. "Mit Murlock® bietet Murtfeldt Kunststoffe einen Dichtungswerkstoff an, welcher dauerhaft den Forminnendrücken standhält und zum anderen resistent gegenüber Beschädigungen durch Restmaterialien oder gar Carbonfasern ist", verweist Ralf Burghoff auf die Prozesssicherheit, die dadurch gewährleistet wird.

Er geht noch weiter: "Ich bin mir sicher, dass Murlock® ein Schlüssel ist zur Großserienfertigung von Bauteilen im Hochdruck-RTM-Prozess." Denn die Murlock®-Dichtung ermöglicht eine vollständige Automatisierung des HP-RTM-Verfahrens durch Wegfall händischer Kontrolle sowie des häufigen Austauschs der konventionellen Dichtungselemente. Auch die weitere Eigenschaften gereichen dem Kunststoff zum Vorteil: Die Dichtung ist formschlüssig im Formwerkzeug verbaut und kann durch den Innendruck nicht aus der Nut herausgepresst werden. Die Reaktionspartner für die Erzeugung von Epoxidharz reagieren weder mit noch haften sie an der Murlock®-Dichtung, so dass diese auch nicht unbeabsichtigt aus dem Formwerkzeug herausgezogen werden kann. Last but not least: Die Dichtung kann nach der Einsatzdauer von mehreren hundert Produktionszyklen einfach ausgebaut und getauscht werden.

Wer klassische Dichtungskonzepte mit Rundschnurdichtungen und die Fehleranfälligkeit dieser Dichtungen bei Hochtemperatur- und Hochdruckanwendungen kennt, wird Murlock®  schätzen lernen als Alternative zu den bekannten, leider häufig sehr kurzlebigen Dichtungsmaterialien, die derzeit auf dem Markt sind. (Text: Anke Theißen / Ralf Burghoff)

Murlock: Gefrästes Dichtungsmaterial aus PE-Kunststoff

Eingebautes Dichtungsmaterial Murlock im Formwerkzeug

Der verbaute Dichtungskunststoff Murlock hält einen Forminnendruck von 100 bar aus.

Über RACE:
Carbonbauteile sind bereits aus dem Motorsport bekannt. Im Rahmen des Project R.A.C.E. (Reaction Application for Composite Evolution) hat das Unternehmen Hennecke zusammen mit mehreren Partnern, darunter Murtfeldt Kunststoffe, einen entscheidenden Entwicklungsschritt zur Industrialisierung der neuen CAVUS-Technologie von KTM Technologies geleistet, der es zukünftig erlaubt, sogar komplexe Faserverbund-Hohlbauteile im automatisierten Hochdruck-RTM Prozess zu fertigen. Diese können in vielen weiteren integral gefertigten Faserverbund-Hohlbauteilen, wie beispielsweise Dachkonstruktionen, strukturführenden Konstruktionen oder sogar Monocoque-Geometrien umgesetzt werden.


Für das Motorrad KTM 1290 Superduke R sollte nun ein Strukturbauteil in der CAVUS-Technologie hergestellt werden. Der zu substituierende Motorrad-Kennzeichenträger besteht in der Serie aus einer hohlen und verkleideten Stahlstruktur. Einerseits, um Gewicht einzusparen und andererseits, um im Inneren die Kabel für Blinker und Kennzeichenbeleuchtung unterzubringen. Gleichzeitig muss das Bauteil sehr steif sein, da sich im Betrieb enorme Belastungen ergeben. In herkömmlicher Bauweise wiegt der Kennzeichenträger mehr als 765 Gramm. Im Rahmen des Project R.A.C.E. fertigt Hennecke zusammen mit seinen Partnern das Bauteil bei gesteigerter Performance komplett aus kohlefaserverstärktem mit einem Gesamtgewicht von lediglich 265 Gramm. Das bedeute eine Gewichtsersparnis von über 60 Prozent.

Eine Weltneuheit ist die Dichtung in diesem Werkzeug. Diese muss einem Forminnendruck von rund 100 bar und Temperaturen von über 120°C dauerhaft standhalten. Hier kommt das oben vorgestellte neue Dichtungsmaterial von Murtfeldt zum Einsatz.